Institut für integrale Gesprächs- und Focusingtherapie

Artikel

Nachösterlich-integrale Gedanken 2023

Ein integraler Blickwinkel berücksichtigt auch bei traditionellen religiösen Festen unterschiedliche Sichtweisen, die etwas Wahres, aber immer auch Einseitiges haben.
So beziehen sich traditionell gläubige Christen beim Osterfest auf die Auferstehung, wie sie in der Bibel magisch-mythisch geschildert wird.
Heutige kontemplative Meditationstechniken umfassen auch spirituelle Erkenntnisse anderer Kulturen, z.B. buddhistische und fernöstliche Zen-Weisheiten. Achtsame Körper- und Bewegungspraktiken ermöglichen ebenfalls integrative Erfahrungsmöglichkeiten. Auch Focusing unterstützt und fördert ein achtsames Zusammenwirken von Körper, Geist und Seele.
Die wirklichen Wurzeln der Spiritualität sind in allen Religionen und Kulturen gleich. Es ist nur die unterschiedliche Herangehensweise an Spiritualität, die kulturell anders ausgedrückt wird. (mehr …)

Achtsam – humanistische Grundhaltungen

Artikel von Rainer Eggebrecht

Authentisch sein
Ein authentischer Mensch steht zu seinen Stärken und Schwächen. Empathische Wahrnehmung ermöglicht es, uns selbst, andere und unsere (globale) Kultur in ihrer tieferen Sinnhaftigkeit wahrzunehmen. So können neue Bedeutungen, Bilder und Gefühle entstehen, die subtiler sind als alle begrifflichen Strategien, die wir normalerweise verwenden. Der alternative Nobelpreisträger Hans-Peter Dürr antwortete in einem Arbeitskreis in München auf meine Frage, wie Quantenphysik zu menschlicher Sinnhaftigkeit steht: Neurobiologen untersuchen nur den „Drucker“ – der Hintergrund ist in einer ganz anderen Sprache geschrieben – die wir meist übersehen. Die Wirklichkeit ist noch unendlich viel komplexer als selbst jede quantenphysikalische Erklärung.“


Integrale Psychologie – ein ganzheitlicher Ansatz
In einer immer komplexer werdenden Welt benötigen wir  zunehmend methoden-übergreifende Kompetenzen, um mit all den überbordenden Wissens- und Sinnangeboten  kongruenter, zukunftsoffener und sinnvermittelnder umzugehen.
Wir befinden uns in einer spannenden Übergangszeit. Unser bisheriges Denken stößt an Grenzen.
Neue Konzepte können wir anwenden und kombinieren, wenn wir sensibel bleiben, dass Techniken immer nur Möglichkeiten darstellen.

Wir brauchen also neben rationalen Problemlösungsstrategien zusätzlich transrationale Fähigkeiten wie Mitgefühl, Güte, Multiperspektivität, Gelassenheit und Ambiguitäts-toleranz. Derzeit bestimmt ein rascher Wandel und eine enorme Komplexität der Lebenswirklichkeit unsere Zukunft. Wie Thilo Hinterberger betont (Zeitschrift Evolve, Mai 2023), müssten wir bereits junge Menschen immer mehr in Weisheitskompetenzen ausbilden – es bleibt keine Zeit mehr, um auf deren Altersweisheit zu warten! Auch in der Schulbildung sollten neben fachlichem Wissen Elemente der Selbsterfahrung und des vielfältigen integralen Erlebens stärker vermittelt werden. Dann können wir Hoffnung haben, dass sich Menschen unserer Zukunftsgestaltung verantwortungsvoll annehmen.


Integrale Psychologie (Focusing) schult ein „stimmiges“ Fühlen, ein „In-Berührung-Sein-mit…“, wodurch unmittelbar neue Wahrnehmungen entstehen können.
Logische Konzepte sind durchaus wertvoll – wir benötigen sie in vielen Lebensbereichen. Wissenschaft und rationale Logik ändern und verbessern unser Leben. Doch dann sollten wir das, was wir logisch herausgefunden haben, wieder lebendig „atmen“ lassen, es ganzheitlich mit Körper, Herz, Geist und Seele wahrnehmen.  Das heißt, dass ein großer Respekt für das an den Tag gelegt wird, was sich von innen heraus entfalten kann,
und ob und wie diese Erfahrung psychologisch oder spirituell bedeutsam wird.

Integrale Sichtweisen zur Spiritualität
Anselm Grün betont, dass Spiritualität nicht ohne Psychologie existieren kann:
Unsere inneren Räume müssen lebensfähig sein – nur dann können wir gut in den Raum unterhalb der Leidenschaften kommen und ohne allzu dunkle psychische Schatten eine tiefere Klarheit und Reinheit entdecken.“.
Um Spiritualität tief zu erfahren, müssen wir zu Ehrfurcht fähig sein, staunen und uns wundern können. Mit diesen seelischen Regungen tut sich unsere Zeit nicht leicht. Denn Spiritualität ist ein existenzieller, kein kognitiver Begriff. Das macht ihn schwerer fassbar und auch leicht missbrauchbar. Wir sollten daher kontemplative Techniken in ethisch-weltoffene Kontexte einbinden, um die Werte und das Handeln unserer materialistischen Kultur nachhaltig und zukunftsoffen zu verändern. Eine weltoffene Akzeptanz der verschiedenen Religionen wäre hierfür ebenfalls von Bedeutung.

Zitat: Mein Herz ist offen für jede Form, es ist eine Weide für Gazellen, ein Kloster für christliche Mönche, ein Götzentempel, die Tafeln der Thora und das Buch des Koran. Ich übe mich in der Religion der Liebe, in welcher Richtung auch immer die Karawane zieht, die Religion der Liebe wird mein Glaube sein.
 Ibn Arabi (1165 – 1240), mystischer Dichter des Islam

Zitat: Viele Menschen verlieren sich in spirituellen Erfahrungen und Beobachtungen und allen möglichen interessanten, subtilen Eindrücken, von denen manche bestimmt aufregend und erhebend sein können. Aber es gibt nichts Besseres als die Einfachheit, man selbst sein zu können – in sich selbst zentriert zu sein, zu erkennen, wer man ist und das Gefühl der Vertrautheit und der Wirklichkeit darin zu verspüren. Die ganze innere Reise, die gesamte psycho-spirituelle Praxis hat im Grunde nur ein einziges Ziel: wirklich diejenigen zu sein, die wir sind.  Ali Hameed Almaas, Diamant Approach

Wirkliche integrale Orientierung
Wenn man hohe geistige Zustände erfahren hat, sollten diese immer auch um die Einsicht ergänzt werden, dass man auch auf den anderen Ebenen und Stufen arbeiten sollte (Therapie, Sport, Ernährung, Beziehungen, Lebensunterhalt). Menschen sprechen viel eher auf gesunde, kongruente Botschaften an, die sie dort “abholen”, wo sie sind, als auf höhere Botschaften, die durch Neurosen und Brüche auf den unteren Ebenen entstellt sind. Offen integral zu denken heißt auch, sich an den Platz im eigenen Leben zu stellen, an dem man steht, mit all seinen Eigenschaften, seiner Geschichte, seinem Sosein, wie es sich anfühlt, in dieser Zeit, auf diesem Planeten, in dieser Familie, in dieser Kultur geboren zu sein und als Mensch in dieser Form zu leben.  Dann erst verbinden sich die unterschiedlichen Perspektiven Ich“ (Bewusstsein), Wir“ (Kultur) und Es“ (Wissenschaft) zu einer ganzheitlich-vernetzten integralen Sichtweise.

Wir müssen also unseren Humanismus, unsere Psychologie, Spiritualität, das Heilige oder wie immer wir es nennen mögen vertiefen bis weit in den kollektiven Schatten hinein, um uns und die Welt bestmöglich transformativ zu begleiten.

                             Graffiti in Berlin-Kreuzberg (2014):
                   Wer nur sich selbst verändert, ist ein Träumer,
 wer nur das Außen verändert und nicht sich selbst, ist ein Heuchler.

 

 

Erfülltes Leben (Buch-Kurzfassung)

Schulz von Thun hat in seinem neuen Buch „Erfülltes Leben“  ein 5-Felder-Modell intuitiven Wahrnehmens und Verstehens dargestellt. Hier eine kurze und klare einseitige Zusammenfassung:
             Wunscherfüllung                Sinnerfüllung
                                    Selbsterfüllung
             Biografische Erfüllung     Daseinserfüllung

 Wunscherfüllung: Manche Sehnsucht ist tief in uns vergraben und will erst noch entdeckt werden. Und manche Wünsche an das Leben liegen miteinander im Kampf.
Sinnerfüllung: Neben der eigenen Wunscherfüllung wollen wir auch einen Beitrag leisten zum Gelingen des Ganzen, von dem wir ein Teil sind. Neben  „Welcher Wunsch hat sich dir erfüllt?“ heißt es jetzt: „Was hat sich durch dich erfüllt?“
Biografische Erfüllung: Hier akzeptierst du deine einmalige Biografie mit allen Höhepunkten und Gipfelerlebnissen, aber auch mit Krisen und Tiefpunkten.
Daseinserfüllung: Neben all deinen To-do-Listen und allen möglichen Wünschen, Verwicklungen und Verpflichtungen geht es hier um ein staunendes und ehrfürchtiges Innewerden  unseres Daseins in diesem Kosmos.
Und in der Mitte dieser vier Felder steht im Zentrum die Selbsterfüllung:
In unserer Focusing-Grundhaltung vertiefen wir unser Selbst in dem Maße, wie es uns gelingt, das zu verwirklichen, was uns innerlich ausmacht und was als Möglichkeit potenziell  in uns steckt, Es geht um Authentizität, Kongruenz und Stimmigkeit.

 

Integrale Anmerkungen in komplexen Zeiten

Artikel von Rainer Eggebrecht

Ein neuer Begriff von Globalität ist im Entstehen: ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit mit allen Wesen und die Kooperation mit allen Mitgeschöpfen, sowie  die Anerkennung  kosmischer, ethischer und ökologischer Hintergrundbedingungen. Immer mehr Menschen wollen aussteigen, einen Sinn finden und für sich und ihre Kinder eine lebenswerte Zukunft aufbauen.

Es gibt Dimensionen der Wahrheit, die von den Naturwissenschaften nicht berührt werden können. Daher müssen wir neben naturwissenschaftlich-quantitativen Methoden zunehmend auch qualitative Sichtweisen mitberücksichtigen. Wir sollten beide Perspektiven gleichzeitig wertschätzen. (mehr …)