Institut für integrale Gesprächs- und Focusingtherapie

Rainer Eggebrecht: Besser umgehen mit Persönlichkeitstypen – Therapeutischer Knigge und Kompendium für Menschen in helfenden Berufen

Buch: Norderstedt 2005, ISBN: 3-8334-2307-2, Preis: 19,80 €
E-Book: Norderstedt 2005, ISBN 9783848267422, Preis: 14,99 €

Auf 85 Seiten werden in diesem Buch menschliche Verhaltensweisen präzise thematisiert und jeweils konkrete Umgangsempfehlungen dafür gegeben.
Aus seinem reichen Fundus von über drei Jahrzehnten therapeutischer Praxis zeigt der Autor klar strukturiert und leicht verstehbar auf, wie man diversen „Fettnäpfchen“ kompetent begegnen kann.  Auf weiteren 20 Seiten werden abschließend die derzeit gängigsten Persönlichkeitstypologien ( C.G. Jung, Riemann, Das Enneagramm) kurz dargestellt. Dieses Buch bietet eine effektive Hilfestellung im Umgang mit störenden und oft wenig verstehbaren Verhaltensweisen unserer Mitmenschen.

Leseprobe: Der „hysterische“ Charakter: temperamentvoll – dramatisierend
Existenzielle Anschauung: „Niemand versteht mich, meine Gefühle werden nicht akzeptiert, ich bekomme nicht die Aufmerksamkeit, die ich brauche“. Daraus folgt: „Ich brauche viel Nähe und Zuwendung. Um möglichst viel davon zu erhalten, muss ich Emotionen produzieren und andere auf mich aufmerksam machen.“
Innere Welt: viel Enttäuschung und Einsamkeit. Hysterische Personen fühlen sich ganz schnell nicht beachtet, sehnen sich nach Schutz, Liebe und Geborgenheit. Sie haben große Angst vor einer beständigen und tiefen emotionalen Verbundenheit, weil sie – wenn sie ihr Herz wirklich öffnen – verletzt, ausgenutzt und verraten werden könnten.
Kontakt und Beziehung: Hysteriker übertreiben und dramatisieren häufig. Durch Überemotionalisierung werden sachliche Argumente außer Kraft gesetzt. Erotische Attraktivität und Sexualität haben im hysterischen Bereich einen hohen Stellenwert.  Hysteriker beherrschen die Kunst des Lockens und Verführens, mit stolzer Kopfhaltung fahren sie Emotionen hoch, um wahrgenommen und bewundert zu werden.
Klientenmotivation bei Therapiebeginn: Hysterisch strukturierte Klienten sind sehr beziehungsorientiert und besitzen eine starke persönliche Ausstrahlung. Sie zeigen Engagement, perlende Energie und große Bereitschaft, sich auf die jeweilige Therapieform effektiv und schnell einzulassen. Sie wollen es dem Therapeuten leicht machen und sind daher zu Beginn meist „gute“, gelehrige Klienten.  In klarer Beziehungsgebundenheit zum Therapeuten erzeugen solche Klienten durch Mimik, Gestik, intensiven Blickkontakt und durch ihre oft wirkungsvolle Redegewandtheit dabei sehr schnell eine intensive, lebendige und emotionale Therapiesituation.
Therapieverlauf: Der Klient zeigt viele Gefühle und fängt den Therapeuten im Beziehungsraum gefühlsmäßig ein. Er wirkt dabei sicher, wechselt von Thema zu Thema und agiert verführerisch. Wichtig ist, langsam, ernsthaft und sorgfältig zu arbeiten und nicht mit der Dynamik der Gefühle mitzugehenWichtig ist es, in wirklichen Kontakt zu kommen, da hysterische Klienten sich zwar in starker Beziehungsgebundenheit befinden, in Wirklichkeit aber an einem tiefen und echten Kontakt vorbeiagieren.
Der Therapeut kann auch seinerseits dazu verleitet werden, immer wieder Neues und Überraschendes anzubieten, damit die lebendige und temperamentvolle Atmosphäre erhalten bleibt („hysterische Flitterwochen“): wenn es mit Focusing nicht weitergeht, bietet er eine Gestaltübung an, wenn das nicht geht, körpertherapeutische Experimente, usf. Damit gerät er leicht in Gefahr, zu glauben, er müsse tolle und intensive Sachen anbieten, damit es so lebendig und intensiv weitergehe wie bisher. Er sollte daher sehr langsam, sorgfältig und genau intervenieren, viel Empathie zeigen und helfen, in direktem, weichem Kontakt gemeinsam „ins Sein hineinzuschmelzen“.
Therapieende: Der Klient hat in einem stark über die Beziehung zum Therapeuten laufenden Prozess erfahren, dass auch kleine, weiche, zarte und liebevolle Gefühle zum Leben gehören. ohne dauernd die Wirkung auf andere überprüfen und manipulativ testen zu müssen.
Therapeuten-Plus: langsam, sorgfältig und genau intervenieren. Einfach dasein, ohne sich anstrengen zu müssen. Ein zuverlässiges und beständiges Gegenüber sein.
Therapeuten-Minus: ungeduldig oder gelangweilt werden. Zuviel Neues anbieten, um die dynamische und lebhafte Therapiesituation fortzuführen. Sich „hochloben“ lassen und als „bester“ Therapeut, den der Klient je hatte, eigene Selbstwertthemen kompensieren.
Therapeuten bzw. Menschen mit (transformierter!) hysterischer Struktur:
Therapeuten und Menschen mit (positiven!) hysterischen Anteilen haben ihre Mitte gefunden. Sie begeistern sich für Vieles, auch für neue Therapiemethoden und Techniken, sind lebensfroh und temperamentvoll, hochsensibel und beziehungssicher und zeigen eine „engagierte Gelassenheit“ (Teilhard de Chardin). Ein sehr gesunder, transformierter „Hysteriker“  ist fähig, sich verbindlich und tief einzulassen – voll kreativer Kraft und tiefem Optimismus. Sogar aus einer nächtlichen Autopanne im Regen macht ein solcher Mensch ein einmaliges Event. Als in dem Film „Alexis Sorbas“ zum Schluss die gesamte hölzerne Bergwerkskonstruktion zusammenbricht, und der Engländer damit pleite ist, lacht Sorbas: „Sag mal Boss, hast du schon jemals etwas so wunderschön zusammenstürzen sehen?“ Und dann nimmt er den kühlen Briten bei der Hand und die beiden beginnen, Sirtaki zu tanzen.